Interview mit Heiko Bollich
18.08.2021 - Für Tennisfans ist Heiko Bollich sicherlich eine ganz besondere Person. Er ist nicht nur Vater von drei tollen Mädchen sondern auch ein sehr beliebter Trainer bei der TABB. An Tenniskompetenz fehlt es Heiko sicherlich nicht. Er verfügt nicht nur über den DTB A-Trainerschein sondern war auch als Spieler in der Weltrangliste und mit bekannten Namen wie Mischa Zverev, Mikhail Youzhny oder Olivier Rochus auf dem Platz. Da geht der diesjährige Gewinn der Württembergischen Mannschaftsmeisterschaft mit den Herren 40 schon fast ein wenig unter.
In einem ausführlichen Interview gibt uns Heiko Einblicke in seine Zeit als ATP Spieler, seine Sicht auf die moderne Entwicklung des Tennistrainings und wie er Familie, Trainerjob und Aufgaben als Sportlehrer unter einen Hut bekommt.
Frage:
Hallo Heiko, freut uns sehr, dass Du uns heute zu einem Interview zur Verfügung stehst. In den Sommerferien hast Du ein Jugendcamp mit mehr als 90 Kids geleitet. Waren Trainer*innen und Kids aus Deiner Sicht "happy" mit dem Camp?
Heiko:
Das Sommercamp in der 1.Ferienwoche ist sehr beliebt und mit mehr als 90 Teilnehmern auch für uns erfahrene Trainer eine Herausforderung. Uns war klar, dass in dieser Größenordnung alles bis ins kleinste Detail geplant und organisiert sein muss, daher hat sich das Trainerteam mehrmals vor dem Camp zusammengesetzt und alles besprochen. Hinzu kamen für mich noch unzählige Stunden an Vorbereitungszeit am Laptop zu Hause. Im Nachhinein hat sich aber die Vorbereitung wieder gelohnt. Es gab sehr viele positive Rückmeldungen der Eltern und ich hatte das Gefühl, dass alle Kinder Spaß hatten und gerne wiederkommen. Auch für uns Trainer lief alles glatt, da wir mit Brigitte Wolff eine super organisierte Athletiktrainerin an der Seite hatten. Auch unsere Co-Trainer haben uns toll unterstützt. Ein großes Danke an alle Helfer!
Frage:
Bei der TABB trainierst Du von den leistungsstarken Jugendlichen bis hin zu den Hobbyspielern*innen im Seniorenbereich alle Leistungsklassen. Wie unterscheidet sich das Training dieser Gruppen?
Heiko:
Bei den leistungsstarken Spielern hilft mir meine Ausbildung als A-Trainer, da das Training mit diesen Spielern auch mit der Turnierplanung abgestimmt sein muss. Hierbei gibt es eine Vorbereitungsphase mit viel konditionellen Elementen und Ausdauer. Geht es dann Richtung Wettkampf, werden mehr taktische Dinge trainiert. Zwischen den Turnieren wird dann viel Komplextraining gemacht, um Technik und Fitness unter einen Hut zu bekommen. Im Hobbybereich ist es vor allem wichtig, dass der Spaß an der ganzen Sache nicht zu kurz kommt. Besonders wichtig ist mir dabei, dass die Spieler eine saubere Technik erlernen mit der sie bis ins hohe Alter Tennis spielen können ohne irgendwann, aufgrund falscher Technik, Verletzungen zu erleiden. Erstes Ziel ist es, einen Hobbyspieler so zu verbessern, dass es möglich ist ohne Trainer, also mit anderen Tennis spielen zu können. Danach wird dann mehr auf die individuellen Stärken und Schwächen eingegangen.
Frage:
Sag uns ehrlich, was macht Dir mehr Freude, Jugendliche oder Erwachsene zu trainieren?
Heiko:
Die Frage lässt sich leicht beantworten, da ich das schon oft gefragt worden bin. Mir macht beides Spaß, da es einfach die Abwechslung ist, die das Ganze interessant macht. Zudem kann man jeden Spieler jeder Spielklasse auf irgendeine Art verbessern und es macht mir Spaß zu sehen, wenn ein Spieler besser geht als er gekommen ist.
Frage:
Du hast nicht nur den DTB A-Trainerschein sondern Dich auch in weiteren Kursen immer fortgebildet. Wie wichtig ist es am Puls der Zeit zu bleiben? Hat sich das Tennistraining in den letzten Jahrzehnten verändert?
Heiko:
Richtig, ich habe den A-Trainerschein und noch zusätzlich den Athletiktrainerschein gemacht. Das Tennisspiel ist in den letzten Jahren immer athletischer geworden. Für unsere ambitionierten Spieler ist die Physis eine Grundlage, um erfolgreich zu sein. Ich hätte noch gerne einen Mentaltrainerschein gemacht, welcher aber durch Corona leider nicht zustande kam. Dieser wäre sicher allen Altersgruppen zu Gute gekommen. Auch im technischen Bereich gibt es immer wieder Veränderungen und neue Ansätze, daher finde ich es gut, dass wir als Trainerteam alle 2 Jahre den Tenniskongress in Berlin besuchen, wo Leute wie Boris Becker oder andere bekannte Trainer von aktuellen Weltklassespielern referieren. Interessant sind Auswertungen verschiedenster Analysten wie und wohin die Bälle der Profis geschlagen werden und welcher Schlag der gewinnbringendste ist oder welche Schlagfolgen am häufigsten eingesetzt werden. Diese Statistiken können dann in das Training eingebaut werden.
Frage:
Das Training hat sich also deutlich weiterentwickelt. Spielt beim modernen Tennistraining Technologie eine größere Rolle? Videoanalysesysteme wie z.B. Wingfield finden immer mehr Einzug in den Trainingsablauf. Ist das die Zukunft?
Heiko:
Systeme wie Wingfield sind sehr interessant und auf jeden Fall sinnvoll. Wie oben erwähnt könnte man somit jeden Spieler analysieren und das Training danach anpassen. Die Frage ist, ob Kosten und Nutzen sich die Waage halten, da diese Systeme nicht gerade billig sind. Man müsste also im Vorfeld abklären, wie so ein System von den Mitgliedern angenommen werden würde. Aus meiner Sicht macht es auf jeden Fall Sinn und würde jedem Spieler helfen, sich zu verbessern. Alleine sich selbst einmal spielen zu sehen, öffnet vielen Spielern schon die Augen und ist ein Schritt nach vorne. Nur sind die Leute auch bereit, hierfür ein paar Euro pro Trainerstunde mit diesem System mehr zu bezahlen? Und wenn ja, wie regelmäßig wird das Gerät genutzt?
Frage:
Nach dem Blick in die Zukunft, lass uns ein wenig in Deine Vergangenheit schauen. Du warst früher selbst als Spieler in der ATP Weltrangliste geführt. Erzähl uns ein wenig von der Zeit. Wie schwierig ist ein Leben im Tenniszirkus wenn man nicht in den Top 100 steht?
Heiko:
Die Zeit an sich war eine sehr schöne Zeit, denn wer reist nicht gerne 6-8 Monate im Jahr um die Welt? Sicher kann sich jeder vorstellen wie teuer es ist, so viele Monate pro Jahr zu verreisen. In der Zwischenzeit fallen zusätzlich noch Trainerkosten an. Entweder hat man sehr wohlhabende Eltern, einen Sponsor oder man wird sehr schnell sehr gut und kommt in den Bereich der Top 200-250 in der Welt. In diesem Bereich ist ein Spieler in der Lage finanziell „Null auf Null“ am Ende des Jahres zu stehen, kann sich aber nichts zurücklegen. Als Beispiel: Im Alter von 18 Jahren bin ich innerhalb eines Jahrs von Null auf 689 in der Weltrangliste geklettert, ein sehr gutes Jahr für mich. Leider nicht finanziell. Ich war 4 Wochen in Italien, 3 Wochen in England, 4 Wochen in Australien, 3 Wochen in Neuseeland, 2 Wochen in Indien, 2 Wochen in Indonesien und 4 Wochen in Frankreich, um Turniere zu spielen und Weltranglistenpunkte zu sammeln. Zu der Zeit gab es in Deutschland keine Turniere dieser Art. Unterbrochen waren diese Turnierzeiten immer von rund 3-4 Wochen mit Trainingseinheiten. Die Ausgaben in diesen 22 Wochen beliefen sich auf rund 25.000 Euro, die Einnahmen auf etwa 3.000€ und dies obwohl ich gute Ergebnisse hatte. Bei den größeren Turnieren gibt es mehr Preisgeld. Hierfür muss man unter den Top 500 stehen. Um dann auch Geld zu verdienen, muss man dann natürlich Matches gegen Spieler der Top 250 gewinnen.
Frage:
Wie war damals Dein Trainingsalltag. Wieviel Stunden verbringt man als Profi täglich auf den Platz?
Heiko:
Der Alltag als Profi sieht wie folgt aus:
7.30 Uhr: 30 min Joggen
8.00 Uhr: Frühstück
9-10 Uhr: Fitness
10-12 Uhr: Tennistraining
12.30 Uhr: Mittagessen
14-16 Uhr: Tennistraining
16-17.30 Uhr: Fitness
Mittwochs war der Nachmittag frei. Am Wochenende folgten dann meistens Turniere. Die ersten 9 Monate hat man jeden Morgen das Gefühl, dass man eigentlich schon völlig am Ende ist, bevor der Tag überhaupt losgeht, aber es geht dann doch immer irgendwie. Nach ca. 9 Monaten kam bei mir der Punkt, an dem ich mich körperlich so fit fühlte, dass ich den Eindruck hatte, ich könnte alles machen: Egal ob 3 Stunden lang einen Berg hoch rennen oder 5 Stunden am Stück Tennis spielen.
Frage:
Du hast in Deiner Profizeit auch gegen Mischa Zverev gespielt. Der Name ist heute jedem Tennisfan ein Begriff. Erzähl mal ein wenig, wie ist er so?
Heiko:
Ja, ich habe in einem meiner letzten internationalen Turniere in Kassel gegen Mischa Zverev gespielt und 6:4 6:0 gewonnen. Man muss dazu aber sagen, dass ich zu dem Zeitpunkt 22 und er 15 Jahre alt war, was natürlich einen großen Unterschied macht. Er galt damals als Nachwuchshoffnung. Verrückt war, dass zur der Zeit schon gesagt wurde, sein jüngerer Bruder Alexander Zverev (damals 5 Jahre alt) würde noch viel besser als er. Ansonsten habe ich in meiner Zeit als Profi noch gegen Mikhail Youzhny (bestes Ranking ATP 8 ) und Olivier Rochus (bestes Ranking ATP 24) spielen dürfen.
Frage:
Erzähl uns doch Deine verrückteste Geschichte, die Dir als Profispieler in Erinnerung geblieben ist.
Heiko:
Naja, so was richtig Verrücktes ist mir ehrlich gesagt nicht passiert. Was mir aber in Erinnerung geblieben ist, war eine kurze Begegnung mit Roger Federer. Ich spielte damals ein internationales Turnier in der Schweiz, ich war 17 und er 16 Jahre alt. Alle redeten nur von ihm und wie gut er sei. Eines Tages lief er dann auf dem Parkplatz direkt an mir vorbei und ich dachte mir nur: "OK, das ist jetzt also der, der so gut sein soll? Da bin ich ja mal gespannt." 7 Jahre später war er zum ersten mal die Nr.1 der Welt.
Frage:
Kommen wir zurück in die Gegenwart. Du bist heute nicht nur Tennistrainer sondern auch Lehrer. Welche Fächer unterrichtest Du und wie bringst Du beide Jobs unter einen Hut?
Heiko:
Ich hatte das Glück, in den Schuljob reinzurutschen. Ich habe mich über einen Vertretungspool beworben und bin nun nach den Ferien in meinem 3.Schuljahr an der Grundschule in Aidlingen als Sport- und Schwimmlehrer tätig. Bevor ich an der Schule angefangen habe, war dies mit Peter Zuleck und Jan Eble abgesprochen. Mit Angelo haben wir einen weiteren Trainer im Team, der die Vormittagsstunden auffangen kann, so daß Mitglieder nicht zu kurz kommen, wenn sie vormittags Trainerstunden buchen möchten. Somit kann ich 3 Vormittage in der Woche in der Schule sein und an den anderen beiden Vormittagen bin ich im Tennisclub. Nachmittags ist vom Pensum her annähernd alles gleich geblieben.
Frage:
Du bist Vater von 3 Töchtern. Sicherlich nicht einfach, Familie, Aufgaben als Lehrer und den Job als Tennistrainer zu organisieren. Wie gelingt es Dir hier die richtige Balance zu finden?
Heiko:
Ich bin an manchen Tagen von 7.50 Uhr bis 12.15 Uhr in der Schule, dann fahre ich heim und esse kurz, ehe es dann von 14 bis 20 Uhr auf den Tennisplatz geht. Das hört sich jetzt viel an, aber der Tennisunterricht macht mir einfach Spaß und ist gleichzeitig ein Hobby, daher ist das momentan für mich sehr gut machbar. Ich möchte immer jedem und allem gerecht werden, deshalb ist es nicht immer einfach mit Schule, Tennis und Familie. Besonders in der Zeit der Verbandsspiele. Dann bin ich vormittags in der Schule, nachmittags bis abends auf dem Platz und wenn das Wochenende kommt, das eigentlich für die Familie reserviert ist, dann sollte man samstags für Junioren und sonntags für die aktiven Mannschaften als Coach bereitstehen. In dieser Phase der Saison bin ich und auch meine Frau um jeden freien Tag dankbar. Da meine Frau auch Lehrerin ist, haben wir wenigstens immer gemeinsam Ferien und genießen diese dann umso mehr. Zudem muss man sagen, dass ich mich fast ausschließlich um meinen Job kümmern kann und meine Frau zu Hause einfach alles regelt. Ich bin da nur die Aushilfe am Wochenende.
Frage:
Für viele Deiner Tennis-Schüler ist das Training eher Ausgleich zum Berufsalltag. Tennis dürfte für Dich eher weniger für "Ausgleich zu Job" stehen. Was machst Du, wenn Du abschalten willst?
Heiko:
Seitdem ich in der Schule tätig bin, ist der Tennisunterricht zum Teil tatsächlich auch eine Art Ausgleich. Ich glaube es gibt wenige Berufe, bei denen man fast ausschließlich gut gelaunte Leute trifft. Daher ist mein Job als Trainer auch gleichzeitig ein Ausgleich für mich. Wie beschrieben ist mein Tagesablauf eng getaktet, da bleibt nicht noch Zeit für Hobbys. Durch den Lockdown bin ich aber regelmäßig mit meiner Frau joggen gegangen oder wir haben gemeinsam Fitnessvideos zu Hause gemacht. Mein einziges wirkliches Hobby ist aber das Tennis.
Frage:
Als Spieler lief diese Saison für Dich ja mehr als gut. Am Ende stand der Titel des Württembergischen Mannschaftsmeisters mit den Herren 40. Wie war die Saison aus Deiner Sicht?
Heiko:
Für mich als Spieler lief die Saison sehr entspannt. Obwohl ich einfache Matches hatte und auch körperlich gut vorbereitet war, hatte ich nach fast jedem Spieltag für 2-3 Tage Schulterschmerzen, was mich immer wieder überlegen läßt, ob ich im Folgejahr überhaupt noch mitspielen soll. Ich denke meine Aufgabe besteht primär darin, andere besser zu machen und das noch möglichst lange.
Frage:
Mit dem Erfolg der Herren 40 in dieser Saison geht auch der Aufstieg des Teams einher. Wie ist hier Dein Blick auf die Saison 2022? Kann das Team die höhere Klasse halten?
Heiko:
Der Titel war das Ziel dieses Jahr. Dass wir es dann aber so souverän geschafft haben, war dann doch unerwartet. Insgesamt haben wir menschlich und sportlich gesehen ein super Team und ich denke wir können nächstes Jahr auf jeden Fall mit den anderen Mannschaften mithalten.
Frage:
Du bist schon sehr lange bei der TABB. Was begeistert Dich an diesem Club besonders?
Heiko:
Die TABB ist einfach einer der Clubs in Württemberg! Aber es stimmt nicht nur die sportliche Seite, sondern auch alles drumherum. Die Chemie im Trainerteam ist super und vor allem Peter Zuleck leistet schon sehr viel für uns als Team und leitet uns einfach perfekt. Auch mit dem Vorstand passt alles zu 100%, da kann man nur hoffen, dass es so gut weitergeht. Ich habe in dem Club das Gefühl, dass einfach nie Stillstand herrscht und Vorstand und Trainer immer bemüht sind, dieses hohe Niveau zu halten. Wenn ich dann Jahr für Jahr die positiven Ergebnisse unserer Mannschaften sehe und die Weiterentwicklung unserer tollen Anlage, dann macht es einfach Spaß, ein Teil davon zu sein. Mitglieder sind ebenfalls ein wichtiger Faktor. Viele sehe ich fast täglich und einige sind zu guten Freunden geworden, da freut man sich einfach, auf die Anlage zu kommen und nette Leute zu treffen.
Frage:
Wenn Du einen Wunsch frei hättest, was würdest Du bei der TABB verbessern bzw. ändern?
Heiko: Wie bereits gesagt, die TABB befindet sich auf einem hohem Niveau, aber man möchte ja nicht stehen bleiben, sondern immer irgendetwas besser machen. Aktionen wie den Family Day finde ich eine ganz tolle Sache, bei der auch Leute auf den Tennisplatz kommen, die sonst keine Zeit dazu haben oder die eben einen kleinen Ruck brauchen und dann aber auch ziemlich schnell im positiven Sinne „angefressen“ sind. Davon würde ich mir gerne mehr wünschen. Das Problem ist oft nur jemanden zu finden, der das alles organisiert und durchführt. Meist bleibt es an uns Trainern hängen, wobei uns im Sommer das Wasser eh schon bis zum Hals steht. Ich denke wir werden das in einer unserer Sitzungen nochmal aufgreifen und eventuell lassen sich neue Ansätze finden wie man sowas durchführen könnte.